Offener Brief vom 01.10.2016 an den
Deutschen Presserat sowie
Presse-/Medienorgane, Redaktionen und Verlage in allen Bundesländern
Per eMail
Veröffentlicht: http://vereinzurabschaffungderrasselisten.blogspot.de/
1. Die medialen „Kampfhunde“-Kampagnen - Appell an eine Berichterstattung
i. S. des Pressekodex
1. Auseinandersetzung mit der Stellungnahme zur Abschaffung der Rasselisten vom
27.10.2015 des Vereins zur Abschaffung der Rasselisten e. V.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Bürgerinnen und Bürger eines Landes
erhalten ihre Informationen in erster Linie aus den Medien. Presse, Funk und
Fernsehen informieren, heutzutage vermehrt via Internet, über Geschehnisse
aller Art, sie können jedoch die öffentliche Wahrnehmung auch derart
beeinflussen, dass z. B. bloße Meinungen irgendwann für sach- wie fachkundig
belegte Fakten gehalten werden, obwohl sie sehr oft wenig bis nichts
miteinander zu tun haben.
So u. a. geschehen, als im Jahr 2000 der
kleine Junge Volkan in Hamburg von zwei tatsächlich zu Hundekämpfen missbrauchten
bzw. tierschutzwidrig gehaltenen Hunden tödlich verletzt wurde. Keine Frage,
dass dies ein furchtbares Ereignis war - keine Frage jedoch auch, dass der Besitzer
der Hunde ein vorbestrafter und (u. a. wegen des illegalen Besitzes dieser
beiden bewusst und auf tierquälerische Weise scharf gemachten Hunde) gesuchter
Straftäter war, der ein ganzes Stadtviertel (i. Ü. auch viele andere
Hundehalter) in Angst und Schrecken versetzte und den „zu finden“ sich die
Behörden jedoch keine Mühe gegeben hatten. Derjenige konnte unbehelligt von
Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden mit seinen Hunden über viel zu lange
Zeit auf den Straßen sein die Bevölkerung in hohen Maßen gefährdendes Unwesen
treiben. Dies ist belegt.
Nicht belegt ist, wie viele der dann in
einem Aufschrei der Empörung und quasi in Sippenhaft verteufelten Hunderassen damals
unauffällig, gut erzogen und freundlich in Deutschland lebten. Stattdessen
wurde mittels überstürzter Anlassgesetzgebung von einem (auch dies ist belegt)
wenig sachkundigen, selbsternannten „Fachmann“ eine Rasseliste erstellt, die
die Bundesländer ohne nähere Prüfung übernahmen und mit extrem restriktiven
Auflagen behafteten.
Halter von als sog. „Kampfhunde“ bezeichneten Hunden
wurden, nicht zuletzt durch die Medien, auf schlimmste Weise diskriminiert, was
vielen psychisch so zusetzte, dass sie ihre Hunde abgaben, aussetzten oder nur
noch nachts Gassi führten, auch wurden Halter und ihre Hunde teils auf offener
Straße angegriffen:
Gesetzlich wie medial manifestierte sich der Begriff „Kampfhund“ und dessen
beliebige Verwendung immer weiter, ohne jegliche Auseinandersetzung dahin,
was ein „Kampfhund“ tatsächlich
überhaupt einmal historisch war oder wenn dann, illegaler krimineller Weise bis
heute leider noch sein kann. Mit den in den Bundesländern entweder drastisch
verschärften und/oder neu eingeführten Rasselisten füllten und füllen sich seit
den frühen 2000er Jahren die Tierheime mit den auf den Listen stehenden Rassen,
die wegen der mit der Haltung verbundenen Auflagen in vielen Fällen lange Jahren,
teils lebenslang „einsitzen“ (oder auch aus sog. „krankheitsbedingten Gründen“
eingeschläfert wurden und werden, bis heute). Hunde, die liebevoll erzogen in
einer Familie glücklich waren, wurden damals von heute auf morgen dort
herausgerissen und durften teils bis an ihr Lebensende, teilweise zehn und mehr
Jahre, das Tierheim nicht mehr verlassen oder wurden eingeschläfert (Stichwort
u. a. „Harburger Hundehallen“). Ähnliche Schicksale erleiden auch die unzähligen
„Listenhunde“ (verabschieden wir uns von dem polarisierenden Begriff
„Kampfhund“), die jährlich von Ordnungsbehörden wegen fehlender
Haltergenehmigung teils schon als Welpe eingezogen werden, allein aufgrund
ihrer Rasse.
Nun fragen Sie sich, warum wir Ihnen dies
alles schildern:
Wir besitzen selbst Hunde, auch sog.
„Listenhunde“. So hat u. a. unser Mitglied Frau W. Lenzke zwei „Listenhunde“,
die - der eine wegen fehlender Haltergenehmigung eingezogen, der andere ausgesetzt
- im Tierheim waren. Beide sind außerordentlich freundliche und friedliche
Zeitgenossen, von denen sich so manch andere Hund einer vermeintlich harmlosen
Rasse eine Scheibe abschneiden könnte.
Unsere Hunde werden so erzogen, dass sie
keine Gefahr darstellen. Wir haben keinerlei
Ambitionen, sie als Waffe oder „Muskelersatz“ zu verwenden. Und wir haben
viele, viele Listenhundebesitzer und -freunde kennengelernt, denen all das
ebenso fremd ist wie uns. Also haben wir uns zusammengetan und im Herbst 2014 den
Verein zur Abschaffung der Rasselisten e. V. gegründet, in der Hoffnung - wie
viele andere Vereine und Institutionen auf diesem Gebiet - etwas bewegen zu
können.
Schließlich haben Länder wie Italien und
die Niederlande, aber auch Bundesländer wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein
inzwischen die Rasselisten abgeschafft, weil sie zu der Erkenntnis gekommen
sind, dass diese nicht sinnvoll und in vielerlei Hinsicht (Thema: illegaler
Welpenhandel) sogar kontraproduktiv sind.
Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Haben
Kontakt aufgenommen zu Verhaltensforschern, Universitätsprofessoren,
Tierärzten, Hundetrainern - all jenen, die wirklich Rang und Namen als Fachleute
bzw. Sachverständige haben. Wir haben ordnerweise Material zusammengestellt aus
weltweiten Studien und Untersuchungen und wir haben eigene Umfragen (z. B. bei
deutschen Tierärzten) durchgeführt und Recherchen hinsichtlich der Seriosität
der sog. Beiß-Statistiken angestellt.
All dies führte mit überwältigender Deutlichkeit
zu dem Resultat:
- Kein Hund ist per se, also rein auf Grund
seiner Rasse, gefährlich.
- Jeder Hund, ganz gleich welcher Rasse,
kann gefährlich gemacht (oder z. B. von kriminellen
„Vermehrern“ auf hohes Aggressionspotential hin selektiert) werden.
- Die Beiß-Statistiken sind eklatant falsch,
da sie wichtige Faktoren unberücksichtigt lassen.
- Ausnahmslos alle Fachleute plädieren
vehement für die Abschaffung der Rasselisten, da jegliche
sinnvolle -
kynologisch wie gefahrpräventiv - Grundlage dafür fehlt.
- Wirkliche Gefahrenprävention entsteht durch
verbesserte (verpflichtende) Halterschulung, wie es
in Niedersachsen
(verpflichtend) und Schleswig-Holstein (fakultativ) auch gesetzlich verankert
wurde.
Mit dieser deutlichen Aussage, untermauert
durch die Unterstützung kompetenter Fachleute sowie klar aufgezeigter Fakten
wandten wir uns mit unserer umfassenden Stellungnahme zur Abschaffung der
Rasselisten vom 27.10.2015 zuversichtlich an die Landesregierungen - und wurden
bislang bitter enttäuscht.
In vielen Fällen zeigten die Antworten aus
den Ländern, dass man sich gar nicht die Mühe gemacht hatte, die Petition wirklich
zu lesen. In anderen Fällen wurde deutlich, dass man die Ausführungen zwar
gelesen hatte, ihnen teils sogar zustimmte, aber schlicht keine Ambitionen hat,
etwas zu ändern. Sei es aus Angst vor einem möglichen Aufschrei der
Wählerschaft oder auch einfach nur deswegen, weil das Problem ja (relativ) nur
einige wenige Menschen betrifft.
Wir zitieren hier aus einer der letzten
Antworten, die wir erhielten:
„…kann
verstehen, dass Sie sich wünschen, dass aktuelle Erkenntnisse Einzug in die
Gesetzgebung finden. Sie müssen jedoch berücksichtigen, dass Abgeordnete … nur
ihrem Gewissen unterworfen sind. … Sonst würde die Gesetzgebung keiner
Abgeordneten mehr bedürfen sondern lediglich einer Auswertung von
entsprechenden Studien. Eine Studie kann nur schwerlich die - teilweise auch
emotional beeinflusste - Meinung der Gesellschaft berücksichtigen.“
Es macht ein wenig fassungslos, dass eine nachweislich
falsche, subjektive Meinung in der Gesellschaft eher zu einer Gesetzesbildung
beiträgt als hunderte wissenschaftlich belegter, objektiver Erkenntnisse sowie
tagtäglich gelebte Tatsachen: Die vielen
unauffälligen Hunde der gelisteten Hunderassen, die verantwortungsvoll von
ihren Haltern geführt werden, finden natürlich keinen Eingang in mediale
Berichterstattungen. Sie sind jedoch klar die Mehrheit.
In ihrer Diplomarbeit „Medienspektakel um
Kampfhunde“ hat Petra Dressler an der Hochschule der Künste Berlin schon vor
Jahren aufgezeigt, wie die Medien seinerzeit mit dem Thema „Kampfhunde“ Ängste
und Vorurteile publikumswirksam schürten, was letztlich - nach dem tatsächlich
schrecklichen Vorfall mit Volkan - zu dem Massenaufschrei der fehlinformierten
Öffentlichkeit und zu der damals überstürzten, bis heute anhaltenden unsinnigen
Gesetzgebung führte bzw. dass jene Gesetze mangels Einsicht bislang keine
Änderung erfahren (Ausnahmen Nds. und SH).
Da ein Großteil der Politik hier also
offenbar weniger auf echte Fakten und Erkenntnisse setzt, aber umso mehr die -
wie polemisch auch immer ausfallende - Meinung der breiten Masse bei ihrer
Gesetzgebung berücksichtigt, wenden wir uns nun an Sie. Sie sind
die Medienvertreter, die die Macht haben, den Menschen die Wahrheit sprich
Tatsachen nahe zu bringen. Natürlich müssen Sie das nicht tun. Sie können
schließlich mit der Überschrift „Kampfhund beißt Kind“ eine (vermeintlich?)
weit höhere Auflage erreichen als mit „Golden Retriever beißt Kind“.
Dennoch setzen wir auf Ihre
journalistische Berufsehre und den für alle Journalisten in Deutschland
geltenden Pressekodex des Presserates (http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/)
und hoffen, Sie zeigen Offenheit und Bereitschaft, sich zu dem Thema objektiv
zu informieren und uns wie andere, langjährig tätige Vereine und Organisationen
auf diesem Gebiet, bei der Aufklärung der Öffentlichkeit zu unterstützen.
Womöglich werden dann auch Politiker auf diese Weise eher und wirksamer erreicht.
Unsere umfangreiche Stellungnahme vom 27.10.2015, die wir Ihnen in unserem eMail-Anschreiben
beifügen, finden Sie auch unter folgendem Link, ebenso sind dort
weitere Verlinkungen zu unserem Blog über die Dokumentation unserer
Korrespondenzen mit den Bundesländern enthalten:
(mit einem Inhaltsverzeichnis über alle Blog-Artikel)
Über unsere
Internetseite und
unseren Blog
finden Sie zudem viele weitere sachbezogene Informationen und Auseinandersetzungen
zu dem Thema. Gern stellen wir Ihnen weiteres Material zur Verfügung oder
vermitteln den Kontakt zu Fachleuten wie Günter Bloch, Dr. Udo Gansloßer, Dr. Dorit Feddersen-Petersen etc. Eine mehrseitige Liste der
unserer Petition zu Grunde liegenden Materialien fügen wir Ihnen
als Anlage zu unserer eMail ebenfalls bei
- falls Sie selbst weiter recherchieren möchten. Verbleibend
mit freundlichen Grüßen
gez. Silvia v. d. Water / Brigitte
Woywodt (für den eMail-Versand)
Silvia van de Water und Brigitte Woywodt
1. und 2. Vorsitzende des Vereins zur
Abschaffung der Rasselisten e.V.
Winnie Lenzke - Mitglied im Verein zur
Abschaffung der Rasselisten e. V.
Kerstin Reck - Mitglied im Verein zur
Abschaffung der Rasselisten e. V.
Verein zur Abschaffung der Rasselisten e.
V.
Neustr. 2, 47638 Straelen
Vereinsreg. AG Geldern Nr.: VR 1677
abschaffung-der-rasselisten@gmx.de
www.abschaffung-der-rasselisten.jimdo.com
http://vereinzurabschaffungderrasselisten.blogspot.de/
Verein zur Abschaffung der Rasselisten e.V., Neustr. 2, 47638 Straelen
Eingetragen im Vereinsregister des AG Geldern unter Nr.: VR 1677 - Impressum